Was ich bei
Donald Duck faszinierend finde, ist, daß das Worldbuilding zum Großteil zurückzuführen ist auf einen einzigen Mann: Carl Barks. Der hat ja die ersten Mehrseiter geschrieben und gezeichnet.
Vorher gab’s ja nur die Cartoons (aus denen kam nur Daisy) und die Zeitungscomics von Bob Karp und Al Taliaferro (aus denen kamen Donalds Neffen und der 313, die ihren Weg auch in die Cartoons fanden, wie auch übrigens „Oma“ Dorette Duck). In den späten 40ern ging’s dann mit den Mehrseitern los. Bei
Micky Maus machte das als Zeichner weiterhin Floyd Gottfredson, obwohl der an seinem Comicstrip-Stil festhielt (in den älteren LTB gibt’s ja einige Gottfredson-Storys), mit verschiedenen Autoren.
Bei
Donald Duck übernahm das der damals übrigens wieder unabhängige ehemalige Disney-Animator Barks – und zwar als Zeichner und Autor. Er hat das Entenhausen, wie wir es kennen, zu einem Großteil zu verantworten. Dagobert Duck, sein Geldspeicher und sogar seine Sekretärin Frl. Rührig. Gustav Gans. Die Panzerknacker. Gundel Gaukeley. Daniel Düsentrieb nebst Helferlein. Franz Gans (wie gesagt, Oma Duck stammt von Taliaferro). Mac Moneysac als so eine Art Nega-Dagobert. Auch Klaas Klever, der Anti-Dagobert, ist von ihm, war aber nur ein One-Shot und wurde erst von den Italienern zum Hauptwidersacher gemacht.
Barks hat irre viel Worldbuilding betrieben und Lore erschaffen und war sich wahrscheinlich der Konsequenzen gar nicht bewußt. Es gibt ja schon lange treue Fans der Disney Ducks, in Deutschland vor allem die Donaldisten. Und deren Evangelist konnte nur einer sein: Carl Barks, Punkt. Italienische Comics oder solche von anderen Autoren/Künstlern wie Vicar erkennen sie nicht als Kanon an. Einzige Ausnahme (vielleicht, da ist man sich auch nicht einig): Don Rosa, weil der sich als glühender Barks-Verehrer
sklavisch an Barks’ Vorlagen gehalten hat.
1987 ging’s ja mit den Disney Ducks nach Barks richtig wieder los. Zum einen startete
DuckTales, die an Barks’ Comics angelehnt ist bis hin zu mehreren adaptierten Barks-Comics. Adaptiert, weil man Donald nicht in der Serie haben wollte. Es sollte nicht um ihn gehen, er hätte allein durch seine Identität das Rampenlicht eingeheimst, und vermutlich hätte er den abenteuerlastigen Storys sogar im Wege gestanden.
Im selben Jahr fing Don Rosa als unabhängiger Disney-Ducks-Zeichner an und machte im Prinzip da weiter, wo Barks aufgehört hatte. Barks hatte ja einen privaten Disney-Ducks-Stammbaum. Den hat Rosa, der alle Barks-Storys kannte, reverse-engineered und noch weiter ausgebaut. Abgewichen ist Rosa nur bei der Mutter von Tick, Trick & Track: Barks hat da eine hypothetische Thelma Duck eingesetzt, weil ihm Continuity eigentlich ziemlich schnurz war. Rosa griff dagegen zurück auf den Cartoon-Kanon und setzte da korrekterweise Donalds von Al Taliaferro und Ted Osborne erschaffene Zwillingsschwester Della ein, die aber auch er nie als Charakter einsetzte. Wahrscheinlich streiten sich Fans heute noch darüber, was jetzt korrekt ist.
Man kann mit Recht und Fug sagen, Rosa hat den Disney-Ducks-Kanon – auch mit Hilfe der Popularität, die er durch
DuckTales bekam – nicht nur am Leben gehalten, sondern noch ausgebaut. Carl Barks himself hat ihm zwar geraten, sich nicht so verbissen und sklavisch an seine Vorlagen zu halten, aber genau dafür, daß er das getan hat, wird er geschätzt. Auch für die italienischen Storys und die hausintern bei Ehapa gemachten dürften Barks und Rosa heute noch als Referenzen gelten.
Die 2017er
DuckTales dürfte wohl den bisherigen Höhepunkt darstellen. Dahinter stecken nämlich ausgemachte
DuckTales-, Carl-Barks- und Don-Rosa-Fans, die kein Remake machen wollten, sondern eher die gewaltige Barks/Rosa-Lore noch weiter zum Leben erwecken. Sogar Della Duck ist erstmals außerhalb von Flashbacks als Charakter zu sehen.
By the way: Gitta Gans, Dagoberts langjährige Verehrerin, ist italienischen Ursprungs und wurde 1960 vom Altmeister Romano Scarpa für die Story „Der letzte Gulu-Gulu“ erfunden – knapp anderthalb Jahre, bevor Carl Barks den gern für italienisch gehaltenen Klaas Klever erfand. Auch Donalds Rächer-Alter Ego Phantomias entstand im Italien der 60er, in Szene gesetzt durch Giovan Battista Carpi.
Überhaupt wußten doch jahrzehntelang nur Insider und beinharte Fans, wer was wo gemacht hatte, vielleicht mal von amerikanischen Produktionen abgesehen. Wer die LTB mit Argusaugen las, dem fielen sicherlich die stilistischen Unterschiede ein. Allenfalls auf Fansites las man davon, wer welche Story geschrieben und gezeichnet hatte. Dann, vor einigen Jahren, ging es los, daß in den LTB die Namen der Autoren und Künstler abgedruckt wurden. Auf einmal hatte man zumindest bei den neuen Storys Namen zu den Stilen. Aber noch interessanter war es natürlich, online nachzuschlagen, wer die jahre- oder jahrzehntealten Klassiker gemacht hatte.
Da gab es einige. Etwa den schon erwähnten Romano Scarpa. Den Altmeister. Den Goldstandard. In maximal zwei Schritten bezieht sich fast jeder auf ihn, zumal er selbst einige ausgebildet hat. Einer, der seine besten Storys auch selbst geschrieben hat, und zwar sowohl fürs Duck- als auch fürs Maus-Universum.
Oder Giorgio Cavazzano, ein Schüler Romano Scarpas, dessen Karriere damit anfing, daß er mit 14 die Zeichnungen Scarpas geinkt hat. Stilistisch hat er sich über die Jahre
immer wieder gewandelt von einer Scarpa-Kopie zu jemandem, der seinerseits schon vielfach kopiert wurde. Vor allem im Gespann mit dem Texter Giorgio Pezzin immer wieder hervorragend.
Oder Giovan Battista Carpi, der als ein weiterer früher italienischer Disney-Zeichner wieder einen ganz anderen Stil an den Tag legte. Wie gesagt, Miterfinder von Phantomias, der aber auch durch die Hände anderer Zeichner ging. Oder Guido Scala mit seinem filigranen, geschwungenen Stil. Oder Massimo de Vita, wobei der trotzdem als Maus-Zeichner noch am ehesten zur Hochform auflief, besonders in den wenigen Storys, die er selbst schreiben durfte.
Später kam ja noch ein alter Bekannter dazu: Massimo Fecchi. Ich glaube, den Stil haben viele deutsche LTB-Leser auf Anhieb erkannt: Fecchi war früher Haus-und-Hof-Zeichner von Rolf Kauka und hat sich beim Umstieg auf Disney seine stilistische Identität bewahrt.