Lehrstellenmangel in den 80ern
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Mär 2021
01
07:52
Lehrstellenmangel in den 80ern
In den 80er Jahren wurde es für Schulabgänger plötzlich schwer, einen Ausbildungsplatz zu finden.
Ein Berufsberater aus dem Arbeitsamt Würzburg erinnert sich:
"Der Kampf um Lehrstellen" aus der Main Post vom 24.10.2014
In den 1980er Jahren wurde es für junge Schulabgänger plötzlich schwer, eine Ausbildungsstelle zu finden.
Das war eine neue Situation. „Vorher konnte sich ein Jugendlicher mit einem Zettel, den er aus dem Ringbuch gerissen hatte, bewerben“, erinnert sich ein ehemaliger Karlstadter Hauptschullehrer.
Volker Sator aus Würzburg war in den 1980er Jahren Berufsberater des Arbeitsamts.
Die Außenstelle Karlstadt war im Gebäude gegenüber vom neuen Rathaus in der Helfensteinstaße. „Wir haben uns mit der Vermittlung sehr schwer getan“, erinnert sich Sator, „wir sind mit den jungen Leuten bei den Betrieben hausieren gegangen.“
Besonders schwer hatten es die Mädchen.
Für sie wurden daher Hauswirtschaftslehrgänge in der Thüngener Schule gemacht. Zusammen mit der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer Unterfranken versuchte man zusätzliche Qualifizierungsangebote zu schaffen.
Der Berufsberater: „Die Stellen auf dem Arbeitsmarkt waren wie leergefegt. Dem stand ein hohes Personalangebot gegenüber.“
Die Wirtschaft sei nicht so gut gelaufen.
Hinzu kam die wachsende Konkurrenz aus Fernost.
Beispielsweise in der Textilbranche mussten viele deutsche Unternehmen schließen.
Er sei damals von einer Firma zur anderen gereist und habe den Meistern versucht klarzumachen, dass auch sie einst auf eine Lehrstelle angewiesen waren.
„Das war schlimm. Wir haben im Oktober, November und auch noch im Dezember auf einem Haufen Bewerber gesessen, die gut, willig und arbeitsbereit waren und zum Teil mittlere Reife hatten“, schildert er.
Die Betriebe hätten damals alle möglichen Gründe ins Feld geführt, warum sie niemanden ausbilden können.
Teilweise seien als Reaktion neue Berufsbilder entstanden wie etwa der Mechatroniker.
Vorher war beispielsweise in der Kfz-Branche oft die Frage: Wie bringt man den Mechaniker und den Elektriker zusammen?
Man kam den Betrieben entgegen, indem man Blockschulzeiten einführte.
Wenn im Extremfall ein Auszubildender ein Jahr lang Blockschule hatte, dann musste er in den anderen beiden Ausbildungsjahren nur noch an wenigen Tagen in die Schule gehen und stand dem Betrieb zur Verfügung.
Auch wurden das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundschuljahr eingeführt.
Teilweise wurden Jugendliche hier „geparkt“, teilweise wurde damit erreicht, dass noch schulpflichtige Jugendliche tatsächlich noch eine Schule besuchen konnten.
Oft sei die Vermittlung von türkischen Jugendlichen besonders schwierig gewesen. Sator: „Da haben die Brüder oder die Familie mitbestimmt.“
Ein Berufsberater aus dem Arbeitsamt Würzburg erinnert sich:
"Der Kampf um Lehrstellen" aus der Main Post vom 24.10.2014
In den 1980er Jahren wurde es für junge Schulabgänger plötzlich schwer, eine Ausbildungsstelle zu finden.
Das war eine neue Situation. „Vorher konnte sich ein Jugendlicher mit einem Zettel, den er aus dem Ringbuch gerissen hatte, bewerben“, erinnert sich ein ehemaliger Karlstadter Hauptschullehrer.
Volker Sator aus Würzburg war in den 1980er Jahren Berufsberater des Arbeitsamts.
Die Außenstelle Karlstadt war im Gebäude gegenüber vom neuen Rathaus in der Helfensteinstaße. „Wir haben uns mit der Vermittlung sehr schwer getan“, erinnert sich Sator, „wir sind mit den jungen Leuten bei den Betrieben hausieren gegangen.“
Besonders schwer hatten es die Mädchen.
Für sie wurden daher Hauswirtschaftslehrgänge in der Thüngener Schule gemacht. Zusammen mit der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer Unterfranken versuchte man zusätzliche Qualifizierungsangebote zu schaffen.
Der Berufsberater: „Die Stellen auf dem Arbeitsmarkt waren wie leergefegt. Dem stand ein hohes Personalangebot gegenüber.“
Die Wirtschaft sei nicht so gut gelaufen.
Hinzu kam die wachsende Konkurrenz aus Fernost.
Beispielsweise in der Textilbranche mussten viele deutsche Unternehmen schließen.
Er sei damals von einer Firma zur anderen gereist und habe den Meistern versucht klarzumachen, dass auch sie einst auf eine Lehrstelle angewiesen waren.
„Das war schlimm. Wir haben im Oktober, November und auch noch im Dezember auf einem Haufen Bewerber gesessen, die gut, willig und arbeitsbereit waren und zum Teil mittlere Reife hatten“, schildert er.
Die Betriebe hätten damals alle möglichen Gründe ins Feld geführt, warum sie niemanden ausbilden können.
Teilweise seien als Reaktion neue Berufsbilder entstanden wie etwa der Mechatroniker.
Vorher war beispielsweise in der Kfz-Branche oft die Frage: Wie bringt man den Mechaniker und den Elektriker zusammen?
Man kam den Betrieben entgegen, indem man Blockschulzeiten einführte.
Wenn im Extremfall ein Auszubildender ein Jahr lang Blockschule hatte, dann musste er in den anderen beiden Ausbildungsjahren nur noch an wenigen Tagen in die Schule gehen und stand dem Betrieb zur Verfügung.
Auch wurden das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundschuljahr eingeführt.
Teilweise wurden Jugendliche hier „geparkt“, teilweise wurde damit erreicht, dass noch schulpflichtige Jugendliche tatsächlich noch eine Schule besuchen konnten.
Oft sei die Vermittlung von türkischen Jugendlichen besonders schwierig gewesen. Sator: „Da haben die Brüder oder die Familie mitbestimmt.“
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Mär 2021
01
11:19
Re: Lehrstellenmangel in den 80ern
Das Berufsvorbereitungsjahr, das ich schon an anderer Stelle erwähnt habe, scheint eine Errungenschaft der 80er Jahre zu sein, aber ich habe nichts Geschichtliches dazu gefunden. Das Berufsgrundbildungsjahr scheint es schon in den späten 70ern gegeben zu haben. Besonders benachteiligte Jugendliche konnten Berufsausbildungen in Berufsbildungswerken oder -heimen machen(zb. Augustinusheim in Ettlingen b. Karlsruhe, oder in den Christlichen Jugenddörfern(CJD), z.B in Offenburg oder Stuttgart-Feuerbach. Das aber immer auch in Verbindung mit Praktika in Unternehmen.
Bewerbung einfach auf einen Zettel aus dem Ringbuch, war zu meiner Zeit schon lange vorbei; auf der Wirtschaftsschule wurden selbstverständlich normgerechte Bewerbungen geübt. Bewerbungen bei denen man noch nach Anruf, mit einer Bewerbungsmappe, direkt vorbei kommen konnte, waren bei kleineren Unternehmen noch bis in die 90er möglich.
Der Lehrstellenmangel war kurze Zeit schon mal nach der Ölkrise 1974 ein Thema- literarisch verarbeitet von z.B Hans-Georg Noack in dem Jugendroman: "Suche Lehrstelle, biete...".
Bewerbung einfach auf einen Zettel aus dem Ringbuch, war zu meiner Zeit schon lange vorbei; auf der Wirtschaftsschule wurden selbstverständlich normgerechte Bewerbungen geübt. Bewerbungen bei denen man noch nach Anruf, mit einer Bewerbungsmappe, direkt vorbei kommen konnte, waren bei kleineren Unternehmen noch bis in die 90er möglich.
Der Lehrstellenmangel war kurze Zeit schon mal nach der Ölkrise 1974 ein Thema- literarisch verarbeitet von z.B Hans-Georg Noack in dem Jugendroman: "Suche Lehrstelle, biete...".
- Norby
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Mär 2021
01
12:19
Re: Lehrstellenmangel in den 80ern
Ich bin echt überrascht davon zu hören. Ich habe mich Ende 1989 um eine Lehrstelle beworben. Drei Bewerbungen Handschriftlich auf sauberes unliniertes Papier habe ich verschickt. Bei zwei Firmen nach Eignungsprüfung konnte ich sofort anfangen und von der einen Firma habe ich bis heute noch nichts gehört. Und ich war kein Musterschüler. Ich war damals selbst sehr überrascht wie schnell ich zwei Zusagen bekommen habe.
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Mär 2021
01
16:22
Re: Lehrstellenmangel in den 80ern
Dito.
4 Bewerbungen auf liniertem Papier- 2 feste Zusagen.
Ich bin Eisenbahner geworden,weil ich bei der Bahn für lau fahren konnte (und noch immer kann)
Und mein Realschul-Zeugnis war Durchschnitt,heute kannse mit sowat evtl. noch Stullen für die Maloche einpacken.
4 Bewerbungen auf liniertem Papier- 2 feste Zusagen.
Ich bin Eisenbahner geworden,weil ich bei der Bahn für lau fahren konnte (und noch immer kann)
Und mein Realschul-Zeugnis war Durchschnitt,heute kannse mit sowat evtl. noch Stullen für die Maloche einpacken.
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Feb 2022
08
19:54
Re: Lehrstellenmangel in den 80ern
In den 80ern wurde es für manche schwierig, weil die alte Regel »Oppa war da, Vatta war da, gezz gehsse auch dahin« nicht mehr so ging. Berufsbilder hatten sich geändert, Vorbedingungen wurden härter und der Strukturwandel ließ ganze Branchen sterben.
Auch das Anspruchsdenken vieler Jugendlicher hat sich in der Zeit sehr geändert. Es gab viel stärker den Wunsch nach einem »Traumberuf« - da war die Reiseverkehrskauffrau nun mal beliebter als die Fleischereifachverkäuferin. Und »irgendwas mit Computer« war auch gefragter als bei Opel am Band. Teilweise war die Industrie auf die neuen Wünsche und Fähigkeiten der jungen Leute noch gar nicht vorbereitet. So manch ein Schüler konnte am C64 mehr als der Chefbuchhalter der Fabrik.
Die Situation bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund hatte sich tatsächlich teilweise verschärft. Oft hatten Eltern, die selbst nur als Hilfsarbeiter tätig waren, noch keinen Bezug dazu, dass ihre Kinder mit mehr Bildung bessere Chancen hätten. Für »Ausländerkinder«, die von ihren Eltern aufs Gymnasium geschickt wurden, machten die allermeisten ihren Weg, schwierig wurde es bei denen, die von der Hauptschule kamen. Hauptschule PLUS Herkunft, teilweise nicht zufriedenstellende Sprachkenntnisse - das war für den Arbeitsmarkt einfach zu viel des Negativen.
Unter der Situation litten manche Branchen noch Jahrzehnte - so war der Beruf des Uhrmachers irgendwann total überaltert,0 weil es seit Ewigkeiten keine Lehrlinge mehr gab. Versicherungen litten Ende der 80er / Anfang der 90er unter einer viel zu geringen Zahl geeigneter Bewerber.
Kein Wunder also, dass die Quote der Studienanfänger in dieser Phase immens in die Höhe schnellte... Man dachte damals, das Studium sei eine sichere Sache für alle, die das Zeug dazu hatten. Weit gefehlt, plötzlich gab es zu viele Bewerber für zu wenige Stellen als Lehrer, Rechtsanwalt etc. Von Soziologie und artverwandten Bereichen gar nicht zu reden.
Auch das Anspruchsdenken vieler Jugendlicher hat sich in der Zeit sehr geändert. Es gab viel stärker den Wunsch nach einem »Traumberuf« - da war die Reiseverkehrskauffrau nun mal beliebter als die Fleischereifachverkäuferin. Und »irgendwas mit Computer« war auch gefragter als bei Opel am Band. Teilweise war die Industrie auf die neuen Wünsche und Fähigkeiten der jungen Leute noch gar nicht vorbereitet. So manch ein Schüler konnte am C64 mehr als der Chefbuchhalter der Fabrik.
Die Situation bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund hatte sich tatsächlich teilweise verschärft. Oft hatten Eltern, die selbst nur als Hilfsarbeiter tätig waren, noch keinen Bezug dazu, dass ihre Kinder mit mehr Bildung bessere Chancen hätten. Für »Ausländerkinder«, die von ihren Eltern aufs Gymnasium geschickt wurden, machten die allermeisten ihren Weg, schwierig wurde es bei denen, die von der Hauptschule kamen. Hauptschule PLUS Herkunft, teilweise nicht zufriedenstellende Sprachkenntnisse - das war für den Arbeitsmarkt einfach zu viel des Negativen.
Unter der Situation litten manche Branchen noch Jahrzehnte - so war der Beruf des Uhrmachers irgendwann total überaltert,0 weil es seit Ewigkeiten keine Lehrlinge mehr gab. Versicherungen litten Ende der 80er / Anfang der 90er unter einer viel zu geringen Zahl geeigneter Bewerber.
Kein Wunder also, dass die Quote der Studienanfänger in dieser Phase immens in die Höhe schnellte... Man dachte damals, das Studium sei eine sichere Sache für alle, die das Zeug dazu hatten. Weit gefehlt, plötzlich gab es zu viele Bewerber für zu wenige Stellen als Lehrer, Rechtsanwalt etc. Von Soziologie und artverwandten Bereichen gar nicht zu reden.
Wir hatten zwar Tschernobyl, Punks und Heino -
aber wir hatten die geilste Zeit überhaupt!
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The 80s Guru
Über 100 Playlists aus vielen Zeiten und Ländern - u.a. eine Jahres-Playlist für jedes Jahr von 1970 bis 1999.
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Feb 2022
08
20:01
Re: Lehrstellenmangel in den 80ern
Das geht auch heute noch- habe ich zuletzt vor vier Jahren beim BRK, wo ich halbtags immer noch bin, gemacht und wurde genommen.Heiko 2609 hat geschrieben: ↑Mo 1. Mär 2021, 11:19 Bewerbungen bei denen man noch nach Anruf, mit einer Bewerbungsmappe, direkt vorbei kommen konnte,
waren bei kleineren Unternehmen noch bis in die 90er möglich.
War ich auch nie. In der Schule war ich faul, desinteressiert, habe oft gefehlt und hatte dementsprechend schlechte Noten.
Das hat sich mit den Themen Lehre und Arbeit geändert- denn da habe ich gemacht und gelernt was ICH wollte- und habe Geld gekriegt.
Ausbildungsplatz finden war trotz mieser Noten damals Mitte der 80'er gar kein Problem, ich hatte gleich mehrere Zusagen.
Auch danach hat das nie jemanden Interessiert- aber ich wollte auch nie Raketenwissenschaftler oder so etwas werden.