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Schließung der Zeche Zollverein in Essen am 23.12.1986

Verfasst: Sa 12. Jan 2019, 20:39
von Karim Marouf
Am 23. Dezember 1986 endet in Essen eine Ära. Mit der Schließung der Zeche Zollverein hat die einst größte Bergbaustadt Europas keine Zeche mehr
Der 23. Dezember 1986 zählt zu den denkwürdigsten und zugleich beklemmendsten Tagen in der Chronik der Stadt Essen. Denn an diesem Dienstag vor Heiligabend endet vor genau dreißig Jahren eine ruhmreiche Ära.
Essen, ehedem größte Bergbaustadt auf dem europäischen Kontinent, hat keine Zeche mehr. Mit der Stilllegung der Zeche Zollverein ist das Zeitalter des schwarzen Goldes unwiderruflich vorbei.
Die „letzte Schicht“ auf Zollverein: Bloß kein „großer Bahnhof“. Werksleitung und Betriebsrat bemühen sich, sie so leise wie möglich über die Bühne gehen zu lassen. Ohne Knappenchor, ohne Bergmannskapelle, ohne den letzten Wagen.
„Zum Abschied passt kein großes Brimbamborium“

„Der Anlass ist traurig genug“, sagt Bergwerksdirektor Hans Peter Richter. Und auch Betriebsratschef Eberhard Masseida spricht Klartext. „Zu uns Zollvereinern passt beim Abschied kein großes Brimbamborium“, diktiert er WAZ-Reporter Thomas Rother in den Block.

In 140 Jahren haben Generationen stolzer Bergleute 220 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Plötzlich ist Schicht im Schacht. „Die Stimmung war gedrückt“, erinnert sich Heinz Geppert (85) heute, der damals als Tagesbetriebsführer der obersten Führungsetage angehört. „Wir schauten uns fragend an: Was wird aus uns? Wie geht’s weiter?“.
Aufgewachsen im Schatten von Schacht 6

Geppert ist im Schatten von Schacht 6 aufgewachsen, seit bald einem Vierteljahrhundert genießt der Zollvereiner den Ruhestand in seinem Domizil in Stoppenberg – nur einen Steinwurf vom Doppelbock Schacht XII entfernt, dem neuen Wahrzeichen des Ruhrgebiets.

Journalisten aus ganz Europa kommen nach Essen

Auf Zollverein geht die Rechnung der Direktion am 23. Dezember 1986 übrigens nicht auf. Von wegen stiller Abschied. Aus ganz Deutschland eilen Journalisten und Fotografen, Hörfunkreporter und Fernsehteams herbei.
Selbst aus den Nachbarländern Niederlande, Luxemburg, Dänemark und Tschechoslowakei reisen Reporter nach Essen. Das bittere Ende von Zollverein wird nun doch ein Medienereignis.

Zwei Tage vor Silvester 1986 nehmen die Zollvereiner, ihre Angehörigen, aber auch Essener Bürger in einem ökumenischen Gottesdienst Abschied von ihrer Zeche. Nicht in einer der vielen Kirchen in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern in der Mechanischen Werkstatt.

In der Mechanischen Werkstatt beten die Kumpel das Vaterunser

„Wir haben die Halle leer geräumt, die Drehbänke, das Schmiedefeuer, die Feilbänke, alles kam raus, dann wurde die Bühne aufgebaut“, erinnert sich Geppert. Der Kirchenchor von Heilig Geist singt, und mit Superintendent Heinrich Gehring und Stadtdechant Karl Zurnieden beten die Kumpel schließlich das Vaterunser.

Auch Günter Stoppa gehört zu den Betenden. Er ist damals Bauführer über Tage, schon seit 28 Jahren zeigt er Besuchern seitdem als Gästeführer seinen alten Pütt. „Es ging ruhig ab, verschiedene haben sich eine Träne abgequetscht.“

Zum Abschied wird allen eine deftige Erbsensuppe gereicht, die meisten trinken dazu eine kalte Flasche Bier.

Ehemalige treffen sich im Zollverein-Kreis

Dieselben, die Jahrzehnte lang über Tage und erst recht unten vor Kohle im Streb zusammenhalten, machen auch nach dem Ende von Zollverein nicht Schluss. „Wir haben aus der Gruppe der Führungskräfte den Zollverein-Kreis gegründet“, berichtet Geppert.

Ein Traditionsklub, den es heute immer noch gibt. Von 35 sind 12 übrig geblieben, die beiden Ältesten sind 92. „Wir hatten in 30 Jahren 250 Veranstaltungen, darunter Radtouren, Wanderungen und mehrtägige Exkursionen.“
Männerwelt und Kameradschaft

An dieser Stelle wird spürbar, was der Bergbau seit jeher war: eine reine Männerwelt, sehr hierarchisch aufgebaut mit Werksleitung, Betriebsdirektion und Stabsstelle, mit Betriebsführern, Revier-, Fahr- und Obersteigern bis hin zur Mannschaft.

Und egal ob auf dem Pütt, in der Freizeit oder danach als Rentner: Kameradschaft ist der starke Kitt, der diese riesigen Verbände auf allen Ebenen stets zusammengehalten hat. „Wir geben uns bis heute gegenseitig Hilfe, das Zusammengehörigkeitsgefühl ist nie verschwunden“, sagt Geppert stolz.

Es ist ein anrührender Satz, den andere Zollvereiner übrigens fast genauso zu formulieren pflegen.

Quelle: WAZ (23.12.2016)

Link zum WAZ-Artikel:
https://www.waz.de/staedte/essen/vor-30 ... 67657.html

Rückansicht des zentralen Schachts 12
Bild
Bild: Avda - Eigenes Werk CC BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/w/index.p ... d=24842654


Im Inneren von Zeche Zollverein
Bild
Bild: Benutzer:AlterVista - Eigenes Werk (Originaltext: eigene Aufnahme) CC BY-SA 3.0


Schacht 12 mit der Beleuchtung von 2004
Bild
Bild: Von Thomas Robbin, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=543089

WDR-Doku: Schicht im Schacht (2016)

Re: Schließung der Zeche Zollverein in Essen am 23.12.1986

Verfasst: So 13. Jan 2019, 08:27
von Norby
Und jetzt ist endgültig Schluss mit dem Kohleabbau. Jetzt fördern wir nur noch den Chinastahl :teufelböse:

Re: Schließung der Zeche Zollverein in Essen am 23.12.1986

Verfasst: So 13. Jan 2019, 13:04
von Karim Marouf
Mit der Grundschulklasse haben wir ein Bergbaumuseum im Ruhrgebiet besucht, und das war schon im Jahr 1981. Damals war schon klar, dass der Steinkohlebergbau in Deutschland keine Zukunft hatte. Alles nur wegen kurzsichtigen Rentabilitätsdenkens :teufelböse: .
Wer garantiert denn, dass die Kohlelieferanten zuverlässig uns mit Kohle beliefern und nicht etwa wegen der z.B. kindischen Launen eines Präsidenten (siehe USA) die Lieferung stoppen.
Außerdem gibt es hierzulande die beste Bergwerkstechnik weltweit; und nur in einem richtigen Bergwerk können die Maschinenbauuntwrnehmen modernste Bergwerkstechnik entwickeln und den Kunden präsentieren. Deutsche Kohlehobel und Walzenschrämmlader genießen Weltruhm! Da können die Chinesen uns nie das Wasser reichen :D
Das sollte auch später so bleiben.

Re: Schließung der Zeche Zollverein in Essen am 23.12.1986

Verfasst: So 13. Jan 2019, 14:18
von Norby
Das Bergbaumuseum kenne ich. Das befand sich damals in Bochum. War zur meiner Grundschulzeit und später zur Hauptschulzeit dort. Damals war die Zeche ein längeres Thema in Erdkunde.

Re: Schließung der Zeche Zollverein in Essen am 23.12.1986

Verfasst: Do 17. Jan 2019, 11:31
von Marcus
Das Bergbaumuseum befindet sich noch immer in Bochum und wurde gerade komplett renoviert! ;)

An die Schließung der Zeche Zollverein kann ich mich als Essener noch sehr gut erinnern.
Ich habe den ausführlichen Zeitungsbericht, über die Geschehnisse des Vortags, damals am 24.12.1986 in der warmen Badewanne gelesen.
Zollverein war die letzte Zeche in Essen und es war schon ein komisches Gefühl, dass es sie dann auch nicht mehr gab.
Mein Großvater und Vater waren auch im Bergbau beschäftigt.
Die Firma, in der ich zu der Zeit meine Ausbildung absolvierte, hatte auch viele Projekte im Bergbau und meine Zwischen- und Abschlußprüfungen fanden auch auf Zechen statt.

Endgültig sterben wird Zollverein wohl im Jahr 2020, wenn dort das Fördern von Grubenwasser eingestellt wird, weil es durch die Schließung der letzten Zeche in Bottrop ja dann nicht mehr nötig ist.
Momentan sind nämlich noch zwei Schächte von Zollverein in Betrieb, weil auf der lezten Sohle die Pumpen für das Fördern des Grubenwassers stehen und diese ja Instandgehalten werden müssen.