Katastrophe von Bhopal (1984)

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Karim Marouf
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Jan 2019 06 20:49

Katastrophe von Bhopal (1984)

Beitrag von Karim Marouf

Die Katastrophe von Bhopal, auch Bhopalunglück, ereignete sich am 3. Dezember 1984 im indischen Bhopal, der Hauptstadt des Bundesstaats Madhya Pradesh. In einem Werk des indischen börsennotierten Unternehmens Union Carbide India Limited (UCIL, 1984 zu 51 % in Besitz des US-Chemiekonzerns Union Carbide Corporation UCC; die restlichen Aktien befanden sich im Besitz des indischen Staates, indischer Finanzinstitute und privater Investoren in Indien) traten aufgrund menschlicher Fehler und auf menschliche Fehler zurückzuführender Fehler in der technischen Ausrüstung mehrere Tonnen giftiger Stoffe in die Atmosphäre. Es war die bisher schlimmste Chemiekatastrophe und eine der bekanntesten Umweltkatastrophen der Geschichte. Tausende von Menschen starben an ihren unmittelbaren Folgen.

Vorgeschichte

Ab 1977 hatte der Konzern in Bhopal (Zentralindien) pro Jahr zunächst 2500 Tonnen des Schädlingsbekämpfungsmittels Sevin produziert. Die Anlage war für eine Kapazität von 5000 Tonnen ausgelegt. Da die Verkäufe von Sevin in Indien Anfang der 80er-Jahre aber rückläufig waren, hatte man Sparmaßnahmen zur Kostensenkung durchgeführt, wie z. B. die Einsparung von Personal, Verlängerung von Wartungsintervallen, Verwendung billiger Austauschteile aus einfachem Stahl anstelle von Edelstahl. Außerdem wurde eine Schließung der Fabrik ins Auge gefasst.

Verlauf

Zum Zeitpunkt des Unglücks fand aufgrund von übermäßigen Lagerbeständen keine Produktion statt. Es wurden lediglich Wartungs- und Kontrollarbeiten durchgeführt. Nachdem im Zuge von Reinigungsarbeiten durch eine unglückliche Verkettung von Ereignissen sowie von Versäumnissen beim Unterhalt der Anlage Wasser in einen Tank für Methylisocyanat (MIC) eingedrungen war, kam es zu einer exothermen Reaktion, bei der so viel Kohlenstoffdioxid freigesetzt wurde, dass sich der Tankinnendruck stark erhöhte und zwischen 25 und 40 Tonnen Methylisocyanat sowie andere Reaktionsprodukte (vor allem Dimethylamin, 1,3,5-Trimethylisocyanurat, 1,3-Dimethylisocyanurat) durch die Überdruckventile in die Atmosphäre entwichen. Der gesamte Tankinhalt verflüchtigte sich in weniger als zwei Stunden.
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Die Opfer

Schätzungen der Opferzahlen reichen von 3.800 bis 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Gaswolke sowie bis zu 500.000 Verletzten, die mitunter bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden.[3][4] Die zum Teil großen Abweichungen der Schätzungen erklären sich vor allem aus der ungenauen Kenntnis über die Zahl der Einwohner des betroffenen Elendsviertels in dieser Zeit. Es lebten damals etwa 100.000 Menschen in einem Radius von einem Kilometer rund um die Pestizidfabrik. Die indischen Behörden hatten die Ansiedlung rund um die bestehende Fabrik zunächst geduldet, später sogar mit der Übertragung des Landes an die Bewohner legalisiert. Tausende erblindeten, Unzählige erlitten Hirnschäden, Lähmungen, Lungenödeme, Herz-, Magen-, Nieren-, Leberleiden und Unfruchtbarkeit. Später kamen Fehlbildungen an Neugeborenen und Wachstumsstörungen bei heranwachsenden Kindern hinzu.[5] Zur Erforschung der Langzeitfolgen können Methoden der Epidemiologie eingesetzt werden, wie das auch bei anderen Katastrophen, wie z. B. der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl oder dem Chlorgasunfall in Graniteville, South Carolina, geschieht.

Mangelnde Haftung

Union Carbide hatte das Chemiewerk aus finanziellen Gründen in ein Niedriglohnland mit niedrigen Sicherheitsvorschriften verlegt. Die indische Regierung verlangte 3 Milliarden US-Dollar Schadensersatz vom Unternehmen, welches dagegen Rechtsmittel einlegte. Die Firma zahlte nach langwierigen Verhandlungen und gegen Verzicht auf Strafverfolgung letztlich durch ein am 14. Februar 1989 vom Obersten Gericht Indiens gefälltes Urteil 470 Millionen Dollar (damaliger Jahresumsatz der Firma: 9,5 Milliarden Dollar) an den indischen Staat, der das Geld jedoch nur in geringen Teilen für die Opfer aufwendete. Weitere 250 Millionen US-Dollar zahlten Versicherungen. Viele Betroffene leiden noch heute unter den Folgen der Verletzungen und Vergiftungen. Ein Grund dafür ist auch, dass sich Dow Chemical bis heute weigert, das von Union Carbide ehemals genutzte Industriegelände von den hochgiftigen Überresten zu befreien und so den Gifteintrag in Luft und Grundwasser zu beenden. Dies wird damit begründet, dass die von Dow Chemical 2001 aufgekaufte Union Carbide Corporation ihren Anteil von 50,9 % an der Union Carbide India Ltd. bereits 1994 verkauft hatte. Die Sanierung des mit Quecksilber und krebserregenden Chemikalien vergifteten Geländes ist bis heute nicht erfolgt, obwohl nach einer Greenpeace-Studie die Kosten lediglich in der Größenordnung von 30 Millionen Dollar lägen. Alle Auslieferungsgesuche der indischen Regierung für den zum Zeitpunkt des Unglückes amtierenden Vorstandsvorsitzenden von Union Carbide, Warren Anderson, wurden von den USA abgelehnt.

Sanierung und strafrechtliche Aufarbeitung

Am 7. Juni 2010 – mehr als 25 Jahre nach dem Unglück – wurden erstmals acht leitende Angestellte der Betreiberfirma UCIL von einem indischen Gericht der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden und zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 1800 Euro verurteilt.

Erst seit 2014 werden die an das Werk angrenzenden Wohngebiete mit Trinkwasser aus einer entfernten Quelle versorgt. Dafür war ein Urteil des Obersten Gerichtshofs Indiens erforderlich. Die Wasserleitungen sind jedoch ungenügend verlegt, so dass nach Regenfällen kontaminiertes Umgebungswasser eindringt. Anschließend ist auch dieses Wasser belastet.

Die zuständigen Behörden des Bundesstaates machen seit dem Unfall Versprechen über die Sanierung der kontaminierten Umgebung. Bis einschließlich 2017 wurden nur oberflächliche Maßnahmen vorgenommen.

Quelle: Wiki

Bericht auf National Geographic:


„Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“

Murphys Gesetz

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